Frau steht in einer Küche und hält ihr lachendes Baby fest im Arm, weil sie froh ist, dass das Kind Phenylketonurie geerbt hat.

Phenylketonurie

Miriam Weihermüller

Störungen des Aminosäurestoffwechsels

Bei der Phenylketonurie (PKU) handelt es sich um eine vererbte Erkrankung des Stoffwechsels. Dabei kann Phenylalanin, eine essenzielle (lebenswichtige) Aminosäure im Körperinneren nicht abgebaut werden.

Aminosäuren sind Proteingrundbausteine und ein lebensnotwendiger Bestandteil des menschlichen Stoffwechsels. Einige der Aminosäuren kann der Körper selbst herstellen, andere müssen hingegen unbedingt über die Nahrung jeden Tag zugeführt werden – sie werden als „essenziell“, also lebenswichtig bezeichnet. Ohne diese unverzichtbaren Aminosäuren kann der menschliche Stoffwechsel also keine Proteine (Eiweiße) zusammenstellen.

Die meisten Defekte beim Aminosäurestoffwechsel sind angeborene Gendefekte, die vererbt werden. Viele kommen eher selten vor und hängen zudem in ihren Erscheinungsformen davon ab, ob Enzyme in ihrer Funktionsweise gestört sind oder ob sie fehlen.

Die meisten Defekte führen dazu, dass Zwischenprodukte nicht mehr in Aminosäuren umgewandelt werden können. Infolgedessen sammeln sich solche Zwischenprodukte an und gleichzeitig entsteht ein Aminosäuremangel. Es kommt zu bald zu Organ- und Gewebeschäden bzw. zu diversen Ausfallerscheinungen.

Der gestörte Aminosäuretransport und der Aminosäureabbau führen zu Erkrankungen wie etwa Albinismus, Homocysteinurie, Ahornsirupkrankheit, Alkaptonurie oder Phenylketonurie.

Das passiert bei der Phenylketonurie (PKU)

Insgesamt gibt es mehr als 40 bekannte erblich bedingte Aminosäurestoffwechselstörungen. Die häufigste von ihnen ist die Phenylketonurie, bei der aufgrund eines Enzymdefekts die Umwandlung der Aminosäure Phenylalanin in Tyrosin gestört ist. Das Enzym, das für diesen Umwandlungsvorgang zuständig ist, heißt Phenylalaninhydroxylase.
Kann diese Umwandlung im Körper nicht stattfinden, so lagert sich Phenylalanin im Gewebe sowie im Blutkreislauf ab und es kommt zu einer Schädigung des Gehirns.
Infolgedessen wird die gesamte körperliche Entwicklung negativ beeinflusst und verzögert. Bei den Betroffenen kann es zu Krampfanfällen sowie zu einer geistigen Behinderung kommen.
Auch für diese Aminosäurestoffwechselstörung gibt es eine spezielle Diät-Ernährungstherapie, die vor allem in den ersten beiden Lebensmonaten neugeborener Kinder maßgeblich zu einer normalen Entwicklung beiträgt.

Mediziner*innen unterschieden unterschiedliche Ausprägungsformen der Phenylketonurie:

  • Phenylketonurie
  • Milde Hyperphenylalaninämie
  • Atypische Phenylketonurie

Die milde Hyperphenylalaninämie ist eine Form der PKU, die aber eher selten vorkommt. Diese Störung wird autosomal-rezessiv vererbt: Konkret heißt das, dass beide Elternteile den defekten Genabschnitt an ihr Kind weitergeben müssen. Nur so kann die Krankheit ausbrechen.
Das Enzym Phenyl-Alanin-Hydroxylase (PAH) wird zwar gebildet, hat aber nur eine sehr geringe Aktivität und kann auch nur wenig Phenylalanin umwandeln. Die Krankheitssymptome fallen dementsprechend mild aus.

Bei der atypischen Form handelt es sich um einen Tetrahydrobiopterin-Mangel. Auch diese Krankheitsform ist autosomal-rezessiv vererbbar, doch hier ist nicht das PAH-Enzym betroffen. Vielmehr besteht hier ein Mangel des Co-Faktors Tetrahydrobiopterin, der indirekt für den Aminosäureabbau erforderlich ist.
Dieser Co-Faktor ist darüber hinaus noch an anderen Stoffwechselvorgängen betroffen, so beispielsweise an der Dopamin- und Serotoninsynthese. Eine atypische PKU verläuft daher im Allgemeinen schwerer und ist auch mit neurologischen Symptomen verbunden.

Im ICD-10, dem internationalen Krankheitsverzeichnis, finden sich die Störungen des Aminosäurestoffwechsels im Kapitel "Stoffwechselstörungen" unter den Nummern E70.0-E72.9.

Symptome

Zunächst einmal zeigen sich bei Säuglingen mit einer Phenylketonurie keine Symptome. Erst zwischen dem vierten und dem sechsten Lebensmonat machen sich die ersten Probleme bemerkbar, wenn die Erkrankung der Babys bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkannt und adäquat therapiert wurde. Insbesondere die gestörte Gehirnreifung verursacht im weiteren Krankheitsverlauf starke Komplikationen.

Die Krankheitssymptome einer nicht behandelten PKU sind:

  • Starker geistlicher Entwicklungsrückstand: Der Gehirnschaden schreitet bis zu Pubertät immer weiter voran und stagniert dann plötzlich. In den meisten Fällen sind die betroffenen Kinder geistig schwer behindert.
  • Epileptische Krampfanfälle: Die Gehirnschädigung führt dazu, dass die Hirnnervenzellen besonders empfindlich und übererregbar sind. Infolgedessen kann es häufig zu epileptischen Anfällen kommen.
  • Auch die Muskulatur der betroffenen Patient*innen ist übererregbar. Die Muskeln verspannen sich krampfartig (spastische Zustände) und das führt zu verschiedenen motorischen Behinderungen und Bewegungsstörungen.
  • Verhaltensstörungen: Einige Kinder, die an einer Phenylketonurie leiden, sind hyperaktiv und auch ungewöhnlich aggressiv. Auch Wutausbrüche kommen des Öftern vor.
  • Mikrozephalie: Aufgrund der nicht ordnungsgemäß ablaufenden Hirnentwicklung bleibt auch das Wachstum des Kopfes zurück. Dieser geringe Kopfumfang fällt insbesondere bei älteren Kindern im Vergleich zu anderen Gleichaltrigen auf.
  • Auffälliger Geruch: Im Fall einer Phenylketonurie entstehen diverse Abbauprodukte der Aminosäure Phenylalanin, die an den Geruch von Mäuse-Kot erinnern. Diese Abbaustoffe werden vor allem im Urin, jedoch auch über den Hautschweiß ausgeschieden.
  • Ekzemartige Veränderungen der Haut.

Bei der Phenylketonurie ist darüber hinaus auch die Melanin-Bildung beeinträchtigt. Melanin ist ein Farbstoff, der vor allem für die Farbe der Haut sowie der Augen verantwortlich ist. Eine Phenylketonurie beeinflusst gewissermaßen also auch das Aussehen der Betroffenen.
Aus diesem Grund haben die Betroffenen oftmals eine sehr helle, stark sonnenempfindliche Haut sowie blond-weißes Haar. Auch die Iris (Augen-Regenbogenhaut) ist hellblau bis sogar fast transparent: Der rötliche Hintergrund der Augen scheint bei den Betroffenen deutlich durch.

Diese Symptome einer Phenylketonurie sind unterschiedlich stark ausgeprägt. Der Hauptgrund hierfür ist vor allem die Aktivität des Enzyms Phenyl-Alanin-Hydroxylase (PAH), das bei jedem Betroffenen unterschiedlich stark eingeschränkt ist. Während bei einigen Menschen noch eine Restenzymaktivität besteht und sich somit keine zu großen Phenylalanin-Mengen im Körper ansammeln, zeigt sich bei anderen Personen gar keine Enzymaktivität mehr. Dementsprechend schreitet bei ihnen die Erkrankung schneller und auch schwerer voran.

Verlauf

Eine Phenylketonurie (PKU) ist eine nicht heilbare Erkrankung. Bei einer frühzeitigen Diagnose lässt sich jedoch ein schlimmer Krankheitsverlauf verhindern, sodass die betroffenen Patientinnen und Patienten ein nahezu normales Leben führen können.
Eine strenge phenylalaninarme Diät-Ernährung ist im Kindesalter während der Zeit der Hirnentwicklung von zentraler Wichtigkeit. Im Erwachsenenalter können die strengen diätetischen Vorgaben dann häufig ein wenig gelockert werden.
Dennoch müssen die Betroffenen lebenslang diszipliniert auf Ihre Ernährung achten.

Ursachen und Risikofaktoren

Im Fall einer Phenylketonurie ist die Aktivität des Enzyms Phenyl-Alanin-Hydroxylase (PAH) nicht vorhanden bzw. deutlich eingeschränkt. Der Grund hierfür ist ein Fehler in der Enzymerbinformation.
Das PAH-Enzym kann bei gesunden Menschen ohne eine PKU die aus der Nahrung aufgenommene Aminosäure Phenylalanin in die Aminosäure Tyrosin umwandeln. Bei Phenylketonurie-Patientinnen und Patienten funktioniert dieser Umwandlungsprozess nicht mehr bzw. nur eingeschränkt.

Infolgedessen kommt es zu einer übermäßigen Ansammlung von Phenylalanin im Gehirn sowie im Blutkreislauf an. Auch über den Urin wird die Aminosäure Phenylalanin vermehrt ausgeschieden. Zu hohe Mengen haben aber schädliche Auswirkungen auf den menschlichen Körper. Ohne eine entsprechende Therapie führt dieser Aminosäurestoffwechselstörung zu einer starken Beeinträchtigung der Gehirnentwicklung.

Bei der Phenylketonurie handelt es sich um eine angeborene Aminosäurestoffwechselstörung, also konkret um eine Erbkrankheit. Rund eines von etwa 10.000 neugeborenen Babys erkrankt hierzulande an dieser Aminosäurestoffwechselstörung. Insgesamt betrachtet kommt die PKU aber eher selten vor.

Betroffene Personen können ihrerseits wiederum die defekte Erbinformation, also das defekte PAH-Gen, an ihre Kinder weitervererben. Beim Kind wird die Stoffwechselerkrankung aber erst dann ausgelöst, wenn beide Elternteile das defekte Gen in sich tragen und es auch an das Baby weitervererben. Diese Art der Vererbung wird in der Medizin als autosomal-rezessiv bezeichnet.

Wenn nur eines der Elternteile den Enzymdefekt weitergibt, so treten beim Kind später keine Symptome auf. In einem solchen Fall ist das Kind selbst aber ein Erbinformationsträger und kann später den Gendefekt auf die eigenen Kinder übertragen.

Grundsätzlich besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass das Kind von beiden Elternteilen die gesunde, nicht beschädigte Genvariante erbt.
In einem solchen Fall kommt es zu keinerlei Symptomen und das Kind ist selbst auch kein Träger des Gendefekts.

Therapie

Eine strenge proteinarme Diät ist die wichtigste Therapiemaßnahme der Phenylketonurie.

Die essenzielle Aminosäure Phenylalanin kann vom Körper nicht selbst gebildet werden, sondern muss über die Nahrung zugeführt werden. Bei der Aufnahme von Phenylalanin ist es jedoch sehr wichtig, dass kein Überschuss entsteht, denn der Organismus ist in einem solchen Fall nicht in der Lage, diesen wieder abzubauen. Es sollten also nur die Mengen der essenziellen Aminosäure aufgenommen werden, wie der Körper auch benötigt.

Diese Aminosäure kommt in fast jedem Protein vor, deswegen sollte die Zufuhr lebenslang kontrolliert werden, um einen Überschuss zu vermeiden.

Folgende Lebensmittel sind während der eiweißarmen Diät verboten:

  • Fleisch
  • Wurstwaren
  • Fisch
  • Meeresfrüchte
  • Hülsenfrüchte, wie etwa Kichererbsen, Bohnen, Erbsen, Linsen oder Soja
  • Getreideprodukte wie Nudeln, Reis oder Brot
  • Milch und Milchprodukte (Insbesondere bei Säuglingen muss darauf geachtet werden, dass auch Muttermilch – wenn überhaupt – nur in sehr geringen Mengen gefüttert werden darf)

In zahlreichen Light-Produkten und zuckerfreien Getränken steckt zudem der Süßstoff Aspartam. Auch dieser ist bei Menschen, die unter einer PKU leiden, tabu, da er zu großen Teilen aus Phenylalanin besteht.

Um aber auch einer Mangelversorgung mit Phenylalanin vorzubeugen, sollten die Patientinnen und Patienten täglich ein Aminosäuregemisch zu sich nehmen, dass zudem noch Mineralstoffe und Vitamine enthält.

BH4-Gabe bei einer Phenylketonurie

Besteht bei den betroffenen Patienten noch eine Restenzymaktivität, so gibt es die Möglichkeit, diese PAH-Aktivität durch die Gabe von BH4 zu fördern. Dadurch soll bei den betroffenen Patientinnen und Patienten die Toleranz für das aufgenommene Phenylalanin erhöht werden. Unter Umständen können dann sogar die Diätvorgaben ein wenig gelockert werden. Dieses Medikament zur Therapie einer Phenylketonurie ist jedoch erst ab dem vierten Lebensjahr zugelassen.

Im Fall einer atypischen Phenylketonurie wird das fehlende Coenzym BH4 künstlich ersetzt, ebenso bestimmte Botenstoffe wie Serotonin und Dopamin. In einigen Fällen müssen die Betroffenen lebenslang eine phenylalaninarme Diät einhalten.

Phenylketonurie bei schwangeren Frauen

Schwangere Frauen, die unter einer PKU leiden, sollten folgende Regeln beachten:

  • Eine proteinarme Diät muss besonders streng eingehalten werden, ansonsten kann das Ungeborene Schaden nehmen und im schlimmsten Fall kann es zu einer Fehlgeburt kommen.
  • Die Blutwerte sollten regelmäßig ärztlich überprüft werden. Die europäischen Leitlinien empfehlen in einem solchen Fall zwei wöchentliche Messungen der Phenylalanin-Blutwerte. Nicht nur das Gehirn des Babys kann bei einem Phenylalanin-Überschuss geschädigt werden, sondern auch das Herz und die Augen. Auch Fehlbildungen am Skelett sind möglich.
  • Frauen mit Kinderwunsch sollten ihre Schwangerschaft gründlich planen und auch alle wichtigen Untersuchungen regelmäßig wahrnehmen.
  • Für eine reibungslos verlaufende Schwangerschaft ist es wichtig, dass die werdenden Mütter sich von der behandelnden Ärztin oder dem Arzt anleiten lassen.

Das können Sie selbst tun

Da es sich bei dieser Aminosäurestoffwechselstörung um eine Erbkrankheit handelt, gibt es keine Möglichkeiten der Prävention. Wer an PKU erkrankt ist, kann aber durch eine strenge Diät, bestehend aus phenylalaninarmen Lebensmitteln, unerwünschten Komplikationen und Krankheitsbeschwerden vorbeugen.

Bei der klassischen Phenylketonurie liegt der Fokus also auf einer lebenslangen veganen Ernährung ohne die Phenylalanin-Quelle Aspartam. Neugeborene Babys werden ausschließlich mit phenylalaninfreier Fläschchen-Nahrung ernährt. Als Beikost sind Gemüse- und Obstmahlzeiten geeignet. Eltern von betroffenen Babys müssen den Phenylalanin-Gehalt aller Speisen exakt berechnen und die von der behandelnden Ärztin oder dem Arzt genannten Grenzwerte konsequent einhalten.

Später wird die Babynahrung dann durch ein Eiweißpulver ersetzt, das speziell für diese Stoffwechselerkrankung entwickelt wurde. Diese Aminosäure-Mischung muss von den Patientinnen und Patienten jeder Mahlzeit zugesetzt werden. Sie ist für das gesamte Leben der Hauptbestandteil der medizinisch erforderlichen phenylalaninarmen Ernährungsweise.
Zudem ist es sehr ratsam, bereits das Kleinkind spielerisch an den Pulvergeruch und den Geschmack zu gewöhnen.

Heutzutage gibt es ein breit gefächertes Angebot an Schulungen und Kochkursen für Betroffene aller Altersstufen. Diese pädagogischen Maßnahmen sprechen vor allem die Eigenverantwortlichkeit der Patienten an. Gleichzeitig wird ein positiver Umgang mit den ernährungsbedingten Einschränkungen unterstützt.
Auch phenylalaninarme Fertigprodukte sind erhältlich, die vor allem kleinen Patientinnen und Patienten die Teilnahme an Klassenfahrten und Ausflügen ermöglichen.

Eltern erkrankter Kinder sind großen organisatorischen und auch starken psychischen Belastungen ausgesetzt. Um diesen Leidensdruck zu verarbeiten, können die Teilnahme und der Austausch mit anderen Betroffenen in Selbsthilfegruppen sehr hilfreich sein.
Erwachsene Patientinnen und Patienten müssen die Familienplanung mit besonders großer Sorgfalt angehen. Vor allem in der Schwangerschaft sind strenge Diätvorgaben einzuhalten, um normale Phenylalanin-Werte sicherzustellen. Normalwerte sind aber bereits zum Zeitpunkt der Kindszeugung zwingend erforderlich, um schwerwiegende vorgeburtliche Schäden zu vermeiden.

Quellen

https://flexikon.doccheck.com/de/Phenylketonurie
https://www.msdmanuals.com/de/heim/gesundheitsprobleme-von-kindern/erbliche-stoffwechselst%C3%B6rungen/phenylketonurie-pku
https://www.medizinische-genetik.de/diagnostik/humangenetik/erkrankungen/syndrome/stoffwechselerkrankungen/phenylketonurie-pku
https://lexikon.stangl.eu/11364/phenylketonurie
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